Interview mit Anja Marx vom 1. FFC 08 Niederkirchen
In Niederkirchen, einem kleinen Dorf im Landkreis Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz, spielen Frauen seit 1969 Fußball im Verein. Ein Jahr bevor der Deutsche Fußball-Bund (DFB) den Frauenfußball im Jahr 1970 offiziell in seine Satzung aufnahm, gab es bereits eine Frauenfußballabteilung beim Turn- und Sportverein (TuS) Niederkirchen. Im Jahr 2008 gründeten die Frauenfußballerinnen schließlich ihren eigenen Verein: den 1.FFC 08 Niederkirchen.
Der Verein ist seit 2016 auf Schulengel.de angemeldet und hat bis heute 2.576,37 Euro Spenden mit Charity-Shopping gesammelt. Wir haben ein Interview mit der Geschäftsführerin Anja Marx geführt.
Frau Marx, Sie sind ehrenamtliche Geschäftsführerin des Vereins. Können Sie uns einen kleinen Einblick in die Vereinsgeschichte des 1.FFC Niederkirchen geben? Wie hat alles angefangen?
Angefangen hat alles mit fußballbegeisterten Niederkirchnerinnen, die ihren Sport im Verein spielen wollten und im örtlichen Turn- und Sportverein (TuS) Fürsprecher fanden. Allen voran der erste Trainer der Fußballerinnen, Hans-Dieter Semmler, der die Gründung der Frauenfußballabteilung 1969 vorantrieb. In der ersten Verbandsmeisterschaft des DFB 1971, siegten die Fußballerinnen des TuS Niederkirchen mit 32:0 Punkten und 104:2 Toren. Wir waren von Beginn an sehr erfolgreich. Seit Beginn der Frauen-Bundesliga 1990 spielten die Niederkirchnerinnen mit Unterbrechungen in der höchsten Spielklasse bis zur Saison 2007/2008. Zu unseren größten Erfolgen zählen die Meisterschaft 1993 und der DFB-Supercup 1993.
Weil der TuS-Vereinsvorstand nach der Saison 2007/2008 intern entschied, keine weitere Zulassung zur 2. Bundesliga zu beantragen, war dies die letzte Saison des TuS Niederkirchen in der Bundesliga. Im Jahr 2008 gründeten wir deshalb unseren eigenen Verein: den 1. FFC 08 Niederkirchen.
Heute sind wir mit 220 Mitgliedern, vier Jugendmannschaften und 2 Frauenfußballmannschaften ein kleiner Dorfverein, der hauptsächlich von ehrenamtlichem Engagement getragen wird. Wir sind wie eine große Familie.
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Bis Frauenfußball ernst genommen wurde, vergingen Jahrzehnte: Im Jahr 1955 verbot der DFB Frauenfußball mit der Begründung: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“ 1970 dann war Frauenfußball wieder erlaubt, allerdings nicht auf demselben Niveau wie Männerfußball: Frauen spielten zunächst nur 70 Minuten lang, sie mussten eine halbjährige Winterpause erdulden und Stollenschuhe durften sie auch nicht tragen. Bei der Frauenfußball EM 1989 erhielt das deutsche Team als Preis für den 1. Platz ein Kaffee-Service.
Was hat sich seither verbessert? Oder muss Ihrer Meinung nach noch mehr getan werden, um Frauenfußball zu mehr Respekt zu verhelfen?
Die Geschichte mit dem Kaffee-Service ist uns heute noch lebhaft in Erinnerung geblieben. Die unvergessene Fußballerin des Jahrhunderts Heidi Mohr war damals in der Nationalmannschaft und hat eines davon gewonnen. Unser Empfangskomitee vom Verein wartete damals am Frankfurter Flughafen, um sie nach ihrer Heimreise feierlich zu begrüßen. „Stellt Euch vor, was wir bekommen haben - ein Kaffee-Service!“ waren die ersten Worte der Europa-Meisterin, als sie in der Flughafenhalle auf uns zukam. Über den Preis können wir heute noch herzlich lachen. Es war damals zwar gut gemeint. Aber es ist noch besser, dass sich die Zeiten geändert haben.
Für die Niederkirchnerinnen war diese Erfahrung aber umso mehr Ansporn, ihrem Sport zu mehr Respekt zu verhelfen. Wir sind heute auf einem guten Stand. Jedoch sollte man insgesamt Frauenfußball und Männerfußball nicht miteinander vergleichen. In anderen Sportarten ist das schließlich auch nicht üblich. Wir sind Frauen und spielen unseren Sport: Frauenfußball.
Was ist aus dem Kaffee-Service geworden?
Ich glaube das ist irgendwo in Weinheim ausgestellt, in der Geburtsstadt von Heidi Mohr. Sie ist leider schon verstorben.
Heidi Mohr (* 29. Mai 1967; † 7. Februar 2019)
Was hat Sie, Frau Marx, selbst dazu bewegt, die ehrenamtliche Geschäftsführung des Vereins zu übernehmen und was bedeutet für Sie Ehrenamt in der heutigen Zeit?
Mir wurde die Leidenschaft für Fußball praktisch in die Wiege gelegt, weil zu den Gründerinnen des Frauenfußballs in Niederkirchen auch meine Mutter und meine Tanten gehörten. Man wächst da hinein in das Vereinsleben, engagiert sich und führt fort, was die eigene Familie, Freunde und Bekannte ins Leben gerufen haben.
Ehrenamtliches Engagement ist einer der Grundpfeiler unserer Gesellschaft, das den Zusammenhalt fördert. Die Gemeinschaft steht bei uns im Verein im Vordergrund. Zusammen erreichen wir viel mehr als jeder für sich allein. Wir erleben in unserer Gesellschaft heutzutage viel Frust und Egoismus. Vereine halten hier dagegen und stärken das Miteinander und das Gemeinschaftsgefühl. Seit Beginn der Corona-Pandemie haben wir allerdings auch bemerkt, was es bedeutet, wenn die Menschen diese Gemeinschaft nicht ausleben können. Vieles ist eingeschlafen.
Wir sind dankbar und froh, dass wir letztes Weihnachten seit langer Zeit wieder wie früher als große Familie im Verein zusammen feiern konnten. Das hat allen gut getan und uns als Verein wieder mehr zusammengeschweißt. Wir freuen uns auf kommende Veranstaltungen und wieder mehr Normalität im Vereinsleben und neue Projekte.
Welches sind Ihre aktuellen Projekte im Verein?
Wir haben aktuell mehrere Projekte im Verein.
Im Bereich Fußball sind wir gerade dabei, unser neu überarbeitetes Ausbildungskonzept umzusetzen. Wir möchten zukünftig unser Angebot für Mädchen und junge Frauen weiter ausbauen und vor allem den Fokus auf eine ganzheitliche, leistungsbezogene Ausbildung richten.
Um eine ganzheitliche Förderung zu ermöglichen, wollen wir Kompetenzen in Trainerteams aufbauen und sie stetig fortbilden um das Training zu optimieren und gezielt individuell fördern zu können. Zudem wollen wir ein Talent-Förderungsprogramm etablieren, den wir Kickin‘ Girls Club nennen.
Im Rahmen der Teilnahme des Projektes „Wir schauen hin – keine Chance für sexualisierte Gewalt“ unseres Landessportbundes haben wir unser Schutzkonzept überarbeitet und Leitlinien dazu verfasst. Es ist uns eine Herzens-Angelegenheit das Selbstbewusstsein der Kids zu stärken, ihnen in Workshops helfen ihre Grenzen kennenzulernen und sich auch trauen, diese zu kommunizieren.
Weiterhin geplant sind dieses Jahr unsere traditionelle Feriencamps für Kinder und Jugendliche, Schnuppertage für unsere Sportangebote uvm.
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Vor welchen Herausforderungen stehen Sie als Fußballverein in einem relativ kleinen Dorf in Rheinland-Pfalz?
Eine große Herausforderung ist die Talentsuche. Dazu gehen wir proaktiv in die Schulen und versuchen mit Sportlehrern zusammen zu arbeiten. Wir erhoffen uns, auf diese Weise für junge Talente sichtbarer zu werden, sodass diese in unseren Verein kommen, um sich von uns als Fußballerinnen ausbilden zu lassen. So kooperieren wir beispielsweise mit der Ballschule Heidelberg und versuchen, mit Aktionen und Projekten in Schulen und Kitas mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Hier benötigen wir viele ehrenamtliche Unterstützung um Kontakte zu knüpfen und Kooperationen auszubauen.
Eine weitere große Herausforderung als Frauenfußballverein in einem Dorf mit knapp 2400 Einwohnern ist die starke Konkurrenz der großen Profi-Vereine im Frauenfußball. Für viele junge Talente sind diese attraktiver bzw. scheint das große Ziel, in der 1. Frauen Bundesliga zu spielen, dort näher.
Dennoch glauben wir, auch als Dorfverein viel bewirken zu können und ambitionierten Spielerinnen einen guten Start in eine Fußball-Karriere zu ermöglichen. Unser Vorteil ist das Familiäre und der Zusammenhalt. Das Problem bei den großen Vereinen ist, dass viele Talente irgendwann einfach fallen gelassen werden, wenn es dann doch nicht für die Profi-Karriere reicht. Bei uns kann man aber auch eine leistungsbezogene Ausbildung genießen und den Sprung nach oben vielleicht irgendwann schaffen.
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Was sind Ihre Ziele und Wünsche für die Zukunft?
Als sportliches Ziel haben wir uns noch einmal den Aufstieg in 2. Frauen Bundesliga gesetzt. Außerdem wollen wir uns intensiv um die Nachwuchsarbeit kümmern und neue Mitglieder gewinnen. Für die Zukunft wünschen wir uns weiterhin ein aktives Vereinsleben, in dem sich alle einbringen können und sich wohlfühlen. Zudem wünschen wir uns fruchtbare Kooperationen und Austausch mit anderen Vereinen, Organisationen und Schulen.
Wie finanziert sich der 1.FFC Niederkirchen? Wie wichtig sind Spenden?
Wir finanzieren uns fast ausschließlich über Sponsoren, Spenden und Mitgliedsbeiträge. Da wir als Verein oft Wegstrecken von bis zu 200 km zum nächsten Austragungsort fahren müssen, sind es zum einen die Fahrtkosten, die ins Gewicht fallen. Aber auch alles drumherum, was einen Verein ausmacht, muss bezahlt werden. Spendenprojekte und Einnahmequellen wie Schulengel.de nutzen wir, um die Kasse zu füllen. Wir sind stets offen für neue Kooperationen und erhoffen uns natürlich auch neue Sponsoren, die uns und unsere ehrenamtliche Arbeit als Verein finanziell unterstützen wollen.
Haben Sie Wünsche und Tipps für uns bei Schulengel?
Man kann manchmal nicht nachvollziehen, warum ein Einkauf in einem Shop nicht für Schulengel registriert wurde. Die Nachbuchungsanfragen finde ich manchmal etwas mühselig. Hier wünschte ich mir, eine vereinfachte Handhabung.
Vielen Dank, Frau Marx, für das interessante Gespräch und die Einblicke in das Vereinsleben des 1. FFC Niederkirchen. Zudem bedanken wir uns für die konstruktive Kritik, die wir uns - wie alle Anregungen und Wünsche - zu Herzen nehmen, um Schulengel.de stetig zu verbessern. Wir wünschen dem gesamten Verein alles Gute und viel Erfolg bei der Umsetzung Ihrer Projekte und Erreichung Ihrer Ziele!
Den 1. FFC Niederkrichen mit Charity-Shopping unterstützen könnt ihr hier auf Schulengel.de!
Bildrechte: 1. FFC Niederkirchen